Buchtipp: Zweierlei Leben

Bereits mit zwölf Jahren ist Timo ein begeisterter Wettkampfteilnehmer, der kein Springturnier auslässt und für den der sportliche Erfolg alles ist. Er liebt die Herausforderung und baut auf eine glanzvolle Zukunft als Springreiter: 1991 bis 1993 Vereinsmeister der Junioren im Springen, 1992 Kreismeister Dritter der kleinen Tour, 1994 Qualifikation zum Bundesentscheid der Vierkämpfer und dann auch Teilnahme an dieser Deutschen Meisterschaft. Bis am 19. Mai 1995 ein Vespa-Unfall sein Leben verändert.

 

Timo Ameruoso beschreibt in seinem Buch „Zweierlei Leben“ seinen schmerzhaften Weg zu wahrer Erkenntnis:

Auf dem Höhepunkt meines Übermutes als erfolgreicher Springreiter bescherte mir das Leben einen schweren Schicksalsschlag – und dies sollte der Beginn eines völlig neuen Lebens sein ...

Nach dem Unfall stand mir eine lange Zeit im Krankenhaus bevor, in der ich mich allmählich mit dem Gedanken auseinander setzen musste, für den Rest meiner Tage auf den Rollstuhl angewiesen zu sein ... Nach fast sieben Monaten Krankenhausaufenthalt begann für mich das Leben von vorne. Es lag an mir, meine Chance zu nutzen und alles besser zu machen als vorher. Wenn ich auf meine aktive Zeit zurückblicke, würde ich von mir selbst sagen, dass ich ein Reiter war wie alle anderen auch. Ich verstand mein Pferd nie wirklich gut und der sportliche Erfolg stand für mich im Vordergrund...“

Timo gab sich seinen unvorstellbaren Schicksalsschlägen nicht hin. Er suchte vielmehr, dem Wesen Pferd näher zu kommen. Er setzte sich intensiv und kritisch mit den Methoden Pat Parellis auseinander, danach mit denen von Monty Roberts.

Sein Resumee: Es ist unmöglich, einem Pferd in einer halben Stunde seine Angst zu nehmen. Eine vertrauensvolle Partnerschaft braucht vor allem Zeit. Als er schließlich auf Gawani Pony Boy stieß, erkannte er, dass der einzig wahre Lehrer das Pferd selbst ist. Mit seinen Hintergrundkenntnissen erarbeitete er sich eine Trainingsmethode, die das Positive der verschiedenen Ausbilder vereint und Überflüssiges weglässt. Seine Methoden bringen Pferd und Mensch zusammen und fördern die Persönlichkeitsentwicklung des Tieres.

Timo schreibt dabei – im Gegensatz zu den mir bekannten „Pferdegurus“ – ohne ablenkende Ausschmückungen. Er tanzt nicht und flüstert auch nicht mit seinen Pferden. Sein Buch wirkt wie sein Umgang mit den Tieren: Kurze Sätze, die klar verständlich den Kern treffen ohne zu überfordern. Es liegt ihm nicht an verbaler oder sonstiger Profilierung, sondern am Ankommen der unmissverständlichen Aussage.

Der Weg wird zum Ziel, das Ziel zum Weg: Elementares Vertrauen als Grundlage für alles weitere wächst beim täglichen Umgang: Vom Rollstuhl aus lehrt er einen verwilderten Hengst, der ohne Menschenkontakt aufwuchs, sich die Hufe bearbeiten zu lassen. Das Pferd erhält stets überschaubare Aufgaben und verliert durch rechtzeitige Pausen nie den Spaß an der Arbeit. Innerhalb eines Vierteljahres hatte Timo eine extrem starke und solide Beziehung zu dem Junghengst aufgebaut. Durch die Zeit, die er dem Tier lässt, fühlt sich dieses nicht überfordert sondern begreift, was mit ihm geschieht.

„Es sind die Fehler, die einen Menschen im Leben voranbringen. Die Fehler sind die Quelle, aus der man lernt. Nur wer seine Fehler erkennt, kann etwas bewegen. Der Mensch, der das erkannt hat, wird daher nie aufhören zu lernen.“ Sagt Timo in seiner beneidenswert lebensbejahenden Art.

Ich möchte dieses Buch jedem ans Herz legen.

Jeder, der mit Pferden zu tun hat, wird davon profitieren - und vor allem das Pferd.

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